Mein Leben in Spanien - Leseprobe
Vorwort
Eigentlich lese ich ja keine Bücher. Hin und wieder bekomme ich jedoch die eine oder andere Episode mal vorgelesen oder höre heimlich mit wenn anderen vorgelesen wird. Deshalb habe ich auch mitbekommen, dass in den letzten Jahren alle möglichen Menschen Bücher über ihr Leben veröffentlicht haben. Mir ist zwar nach wie vor noch nicht ganz klar, wie man mit zwanzig oder dreißig Jahren schon ein Buch über sein Leben schreiben kann, aber vielleicht sind diese Menschen ja nicht sehr optimistisch was ihre Lebenserwartung betrifft. Jedenfalls haben mich diese vielen Biografien, Lebensrückblicke oder wie auch immer das die Menschen nennen, auf die Idee gebracht, dass auch ich mein ereignisreiches Hundeleben in einem Buch zusammenfassen könnte. Sicher, ich halte nicht sooo arg viel von Büchern. Sie stehen in erster Linie im Schrank, werden manchmal gelesen und hin und wieder auch entstaubt. Eigentlich werden diese neumodischen Fotobücher sehr viel häufiger angesehen. Auch wenn sie schnell durchgesehen sind, so sorgen sie doch für Unterhaltung und gute Laune bei den Betrachtern. Aus diesem Grund habe auch ich beschlossen, in meinem Buch müssen unbedingt Bilder mit erscheinen. Ich bin jetzt reichlich 90 Jahre alt und habe wirklich eine Menge erlebt. Natürlich sind es Hundejahre von denen ich schreibe, aber wer sagt denn, dass diese einfacher zu leben sind als Menschenjahre. Hat sich denn schon mal ein Mensch überlegt, wie lang ein heißer Sommer für einen Hund dauert, wenn ein Menschenjahr sieben Hundejahren entspricht? Schon allein wie lange ein einziger Tag dauert. Ein Hundetag ist ja nach dieser Rechnung eine ganze Menschenwoche, wenn man das so betrachtet bekomme ich viel zu selten Futter. Aber der Reihe nach. Zuerst einmal muss ich mich ja vorstellen.
Vorstellung
Mein Name ist Crümel vom Ziethetal. Ich wurde am 07.01.1995 in Thurau bei Köthen/Sachsen-Anhalt, fast schon in Sachsen, geboren und bin ein Berner Sennenhund. Den Erzählungen nach hatte ich ziemlich viele Geschwister, auch natürlich eine Mutter und drei Tanten waren da, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mich an die kaum noch erinnern. Meinen Vater hab ich nie kennen gelernt, hat sich wohl irgendwie aus dem Staub gemacht. Mein Frauchen und mein Herrchen wohnten damals in Dresden und München und holten mich im März zu sich. Meine erst Autofahrt in mein neues Heimchen habe ich trotz sorgsamster Vorbereitungen komplett verschlafen. Damit ich nicht so einsam war, übernahm Lissy die Aufgaben meiner Hundemutter. Lissy wohnte schon in der Wohnung meiner Menschen und war am ersten Tag nicht wirklich begeistert, als sie feststellte, das Hundefutter von nun an teilen zu müssen. Auch sah sie überhaupt nicht aus wie alle Hunde die ich bisher gesehen hatte. Obwohl sie größer war als ich, war sie doch viel zu klein. Man sagte mir sie sei ein Schnauzermix, was auch immer das für mich zu bedeuten haben würde. Lissy ertrug ihre Mutteraufgaben vom zweiten Tag an ziemlich tapfer. Ich durfte ihr in alle Körperteile beißen, sie an den Ohren ziehen, mit ihr zusammen Blumen aus den Töpfen buddeln oder auch Handtücher zerreißen und Handfeger zerlegen. Nur ihren Fressnapf wollte sie unbedingt für sich haben. Damals habe ich es noch nicht verstanden, aber heute weiß ich, Frauen und Mädchen können genauso zickig sein wie Hündinnen und man weiß nie so genau, woran man ist.
In Dresden lernte ich auch den Umgang mit vielen anderen Hunden kennen, die nicht zu unserer Familie gehörten. Im "Großen Garten", einem ehemaligen Schlosspark (vergleichbar mit einer Miniausgabe des "Englischen Gartens" in München), ging ich jeden Tag mit vielen anderen Hunden Gassi. Die Menschen waren damals schon immer total lieb zu mir. Ganz viele Hände streichelten mich, doch kaum jemand hatte Verständnis, wenn ich viel lieber eine Ente jagen oder mit Volldampf durch das aufgeweichte Unterholz toben wollte. Oft fuhren wir nach München und die Autofahrt war immer sehr schön, aber eigentlich gefiel es mir in Dresden besser. Die ersten Monate in meinem Leben vergingen rasend schnell, es gab so viele Dinge zu entdecken. Alles Mögliche musste zerkaut, ausgebuddelt oder gejagt werden. Ich wuchs ständig und meine Hundemama, unter der ich anfänglich noch durchgehen konnte, war sehr schnell sehr viel kleiner als ich. Oft wollte ich auch mit den kleinen Menschen spielen, die in meinem Alter waren, aber die dazugehörenden großen Menschen steckten ihre zweibeinigen Welpen, zu denen sie Kinder sagten, immer in so kleine Wagen hinein und viele Mütter reagierten unheimlich genervt, wenn ich diesem kleinen Wagen näher kam. Damals schon habe ich gelernt, dass die Menschen einfach komisch sind wenn es um ihre Autos geht. In diesem Fall allerdings waren es immer die Frauen, die ihre Kinder überflüssiger Weise vor mir beschützen wollten. Nun ja, mein Frauchen hat mich dann immer von den kleinen Beinahe-Spielkameraden weggezogen und sich entschuldigt, wofür auch immer.
In den ersten Wochen und Monaten gab es sehr viel für mich zu lernen. Die Menschenwelt, in die ich nun eingetreten war, wurde vollkommen anders organisiert, als ich das bisher kannte. Ich hatte nicht mehr meine Geschwister zur Unterhaltung, sondern musste mich an das Sächsische und Bayrische Bellen meiner Zweibeiner gewöhnen. Mag sein, dass draus hin und wieder eine etwas eigentümliche Ausdrucksweise resultiert, aber bevor ihr euch an irgendwelchen Sachen stört, lernt doch erst mal schafisch oder ziegisch und drückt euch danach verständlich aus – ist nicht so ganz einfach. Aber ich lernte auch noch viele andere Dinge in einem wahnsinnigen Tempo. Halsband tragen, an der Leine gehen, keine Treppen in der Wohnung steigen, Pipi nicht in der Wohnung machen, Haufen erst recht nicht, Bellverbot im Treppenhaus, Bürsten lassen, Zecken entfernen lassen, Laufen auf Fußwegen, auf Rufe und Pfiffen reagieren, Ohren putzen lassen, Schuhe nicht anzuknabbern, Klobürsten zu ignorieren, Besucher auf Leckerlis untersuchen und noch ganz viel mehr.